Anfang Oktober hatten der Börsenverein und Libri zu einer Online-Veranstaltung eingeladen, um gemeinsam Chancen und Synergien aufzuspüren, die Solo-Buchhandlungen durch die Übernahme einer weiteren Buchhandlung erzielen können. Zu Gast waren die Buchhändlerinnen Manuela Harm (Buchladen Vaterstetten) und Eva-Maria Golke und Ivonne Gronau (Die Feinkleins), die von ihren persönlichen Erfahrungen berichteten, und Gudula Buzmann, die als Beraterin Gründungen und Übernahmen begleitet.
Liebe Frau Buzmann, viele inhabergeführte Buchhandlungen haben einen Standort und sind dort – auch meist gedanklich – fest verwurzelt. Dennoch kommt es zu Übernahmen. Was beobachten Sie? Ist es eher Zufall oder stehen strategische Überlegungen im Fokus?
Es geht oft Hand in Hand. Eine Buchhandlung erfährt von den Verkaufsabsichten der anderen und überlegt sich dann in einer Mischung aus Branchenengagement und Standortsicherung, ob die Filialisierung passt. Oder der eigene Standort ist in Gefahr – auch dafür kann es vielfältige Gründe geben – und die Buchhandlung sucht aktiv nach einer Filiale, um das unternehmerische Risiko zu streuen.
In der Regel wissen Inhaber*innen, wer in der Nachbarschaft in Ruhestandsnähe kommt. Wer sich früh genug Gedanken über die Attraktivität der Nachbarschaftsbuchhandlungen macht, kann entscheiden, ob er die Gelegenheit selbst nutzen oder sie anderen Interessierten überlassen möchte. In Einzelfällen gilt das nicht nur für die unmittelbare Nachbarschaft, die Filialen können auch relativ weit auseinander (> 100 km) liegen. Das kann man aber nur stemmen, wenn die internen Strukturen dazu passen.
Eine weitere Buchhandlung zu führen, mag für viele Inhaber*innen im ersten Moment aufwendig erscheinen. Worin sehen Sie das größte Potenzial?
Bei den üblichen Nennungen wie Wareneinkauf, Buchtipps, Personaleinsatz oder standortübergreifendes Marketing kommt es immer auf den Einzelfall an, wo das größte Potenzial zu finden ist. Bei unterschiedlichen Kundengruppen machen Buchtipps nicht weniger Arbeit. Bei individuellen Sortimenten können höchstens Rabattpunkte gewonnen werden, jede Filiale kauft aber am besten selbst ein. Und wenn jemand aus dem Team kein Auto hat, ist es mit der Versetzung an den anderen Standort auch nicht immer einfach.
Der größte Gewinn liegt aus meiner Sicht in der Lernkurve, die das Unternehmen mit der Filialisierung macht, und in der Risikostreuung. Jeder Standort hat seine eigenen Vor- und Nachteile und mit reflektierter Herangehensweise lernt man viel über Nachfrageströme, Kaufverhalten, Themengestaltung und auch über die Möglichkeiten, Kosten zu sparen.
Wie entscheidend ist die Entfernung zwischen den beiden Standorten, wenn es darum geht, Synergien zu nutzen?
Die Antwort liegt auf der Hand: Das kommt auf die Synergien an, die sinnvollerweise genutzt werden können. Es ist eine strategische Entscheidung, ob ich die Filiale zu einem gespiegelten Hauptgeschäft machen möchte oder ob ich es für sinnvoller halte, ein zweites Sortimentskonzept – vielleicht sogar unter dem ursprünglichen Namen der gekauften Buchhandlung – laufen zu lassen.
Gudula Buzmann
LOESUNG. Unternehmensberatung und Coaching
Als Begleiterin mit langjähriger Buchhandelsexpertise berät Gudula Buzmann Unternehmen der Kulturbranche dabei, ihre Geschäftsideen in die Umsetzung zu bringen. Sie begleitetet Buchhandlungen von der Gründung bis zur Nachfolgeregelung und teilt ihr Wissen immer wieder in Seminaren und Workshops.
Jede Übernahme ist auch ein Zahlenspiel, denn am Ende muss sie sich wirtschaftlich tragen. Welche Tipps können Sie mitgeben, wenn es um die Übernahmekonditionen geht?
Zunächst sollte man die Zahlen der eigenen Buchhandlung sehr gut kennen, auch die Entwicklung eines typischen Jahres. Der Wert des zu kaufenden Unternehmens hängt jenseits der Positionen Ware und Geschäftsausstattung dann auch vom Nutzen ab, den das eigene Unternehmen durch den Zukauf hat. Wenn die Filiale vollständig integriert werden soll, kann ein Goodwill gegen Null gehen. Andererseits hat man auch Bewertungsspielraum bei Ware und Ausstattung, abhängig von der Ausrichtung der zukünftigen Filiale. Wenn es schwierig ist, im Verkaufsprozess valide Zahlen für das zu kaufende Unternehmen zu bekommen, ist Vorsicht geboten und der Verhandlungsprozess wird länger dauern, Ende ungewiss.
Aus Ihrer Erfahrung: Wie lange dauert eine Übernahme – von der ersten Kontaktaufnahme bis zum Eröffnungstag unter neuer Führung?
Ich habe schon Fälle gesehen, bei denen alles in drei Monaten über die Bühne ging. Und wenn Kaufinteressierte sich die Klinke in die Hand geben, kann es auch schon mal Jahre dauern.
Und welchen Tipp möchten Sie interessierten Buchhändler*innen zum Schluss noch mit auf den Weg geben?
Denken Sie strategisch über die Zukunft Ihrer Buchhandlung nach. Wie lange werden Sie so arbeiten wollen, wie Sie es heute tun? Wen können Sie zur Stellvertretung aufbauen, wer könnte eine Filiale leiten? Und dann schauen Sie sich in der Branche regional und überregional um.
Ein letzter Tipp: Wer filialisiert, wechselt mit der eigenen Position endgültig vom besten Teammitglied zur unternehmerischen Führungskraft. Unternehmerische Aufgaben sollten dann auch Zeitpriorität haben.
Liebe Frau Buzmann, herzlichen Dank für Ihre Einschätzung!
Und liebe Buchhändler*innen, sprechen Sie auch gern Ihre*n Kundenberater*in an, denn sie sind in in Ihrer Region unterwegs.