Hallo Anna, du hast 2023 zu deiner ersten Buchhandlung „Bergen erlesen“ eine zweite Buchhandlung übernommen: „Sachsenhausen erlesen“. Warum schien dir damals dieser Schritt – die Filialisierung – die richtige Entscheidung zu sein?
In Bergen lief es nach 8 Jahren relativ stabil und durch meine Schwangerschaft, den Mutterschutz im Jahr 2020 hatte sich ein gutes Team entwickelt und ich durfte lernen, dass die Buchhandlung auch eine Zeit lang gut ohne mich agieren kann. Als ich dann im Sommer 2022 hört, dass die Buchhandlung Meichsner & Dennerlein eine Nachfolge sucht, bin ich ins Grübeln gekommen.
„Sachsenhausen erlesen“ hieß vorher 40 Jahre lang „Meichsner & Dennerlein“ – wie hattest du davon erfahren, dass hier ein*e Nachfolger*in gesucht wird?
Tatsächlich über meinen Libri-Kundenberater Ronald Voigt.
Wie lange hat es dann gedauert – von der Idee zur Entscheidung und schließlich zur Neueröffnung?
Zum ersten Mal habe ich die Buchhandlung im Juni 2022 angeschaut. Dann hieß es zunächst, dass schon eine Käuferin gefunden wurde und im September rief mich Herr Dennerlein an und fragt, ob noch Interesse besteht. Also ging die eigentliche Planung und Entscheidung von September bis zur Eröffnung im Januar 2023.
Vielleicht kannst du uns, soweit du das willst, einen kleinen Einblick geben, wie es mit der Finanzierung aussah? Wie hast du diese gestemmt?
Bergen erlesen habe ich 2016 mit der KfW finanziert (Kredit). Die zweite Buchhandlung wurde von mir durch ein privates Darlehen finanziert.
Woher hast du Unterstützung erhalten? Sowohl fachlich als auch menschlich – also privat oder in der Branche?
Ich hatte ein gutes und detailliertes Gespräch mit der Beraterin Gudula Buzmann über die Kennzahlen und Chancen. Ich kenne Frau Buzmann seit 2016 durch meine Teilnahme an ihrer Erfa (Erfahrungsaustauschgruppe). Das hat mir sehr geholfen. Ansonsten war und ist meine Familie immer Gesprächspartner und Ratgeber. Ohne den Rückhalt, wäre so ein Projekt für mich nicht zu stemmen gewesen.
Aber auch in der Branche hatte ich sehr gute Gespräche mit Kundenberater*innen, Kolleg*innen und Verlagsvertreter*innen, die mich ermutigt haben – ganz konkret gab es auch von einigen Verlagen „Willkommens-Konditionen“ für die Sommerreise 2023.
Was war deine größte Herausforderung und was war vielleicht leichter als gedacht? Und bei welchen Aspekten haben die Erfahrungen, die du bereits bei der ersten Buchhandlung gemacht hast vielleicht auch geholfen?
Die größte Herausforderung war und ist das Personal. Ich hatte vorher vor allem Aushilfen und stand natürlich viel selbst im Laden. Auf einmal hatte ich 7 Angestellte (4 feste und 3 Aushilfen) und das Dienstplanschreiben war eine riesige Herausforderung.
Was gut gelaufen ist: der ganze Übergabe-Prozess. Es waren wirklich sehr gute Gespräche vor und während des Übergangs. Das lag natürlich auch an den beiden Vorbesitzern. Und durch die Einschätzung von Frau Buzmann konnte ich auch in Bezug auf den Kaufpreis sicher auftreten.
Wie war es, ein neues Team und damit auch gewachsenen Strukturen zu übernehmen? Und was hat sich dabei geändert und was wurde ganz bewusst bewahrt. Warum zum Beispiel die Entscheidung der Umbenennung der Buchhandlung?
Ich hätte mich nicht wohlgefühlt, unter dem Namen Meichsner & Dennerlein weiter zu machen. Ich glaube, dass man damit nur verlieren kann. Es ist ein schmaler Grad zwischen etwas neu machen und eine eigene Marke gründen und die Kund*innen nicht zu verschrecken und Bewährtes zu übernehmen. Außerdem wollte ich auch eine Zusammengehörigkeit mit dem ersten Laden, mit „Bergen erlesen“, schaffen. Und das ist durch die Ähnlichkeit im Namen und im Logo gut gelungen.
Bei der Ladenraumgestaltung und dem Programm haben wir nur kleine Änderungen vorgenommen. Insgesamt bekommen wir die Rückmeldung, dass das gut gelungen ist.
Sehen sich die Teams der beiden Buchhandlung heute als eine Truppe?
Durch die räumlich sehr große Trennung und dadurch, dass es eigentlich kaum Überschneidungen in den Einsatzgebieten gibt, nicht so sehr. Aber es entstehen doch immer Synergien: Buchtipps, gemeinsamer Einkauf von Nonbooks und Verbauchsartikeln, gemeinsamer Empfehlungsflyer, Expertise in den unterschiedlichsten Themengebieten…
Bedeuten zwei Buchhandlungen doppelt so viel Arbeit oder lassen sich Dinge übertragen – verdoppelt sich an manchen Stellen also im Gegenteil nur der Output?
Es ist doch erheblich mehr Arbeit. Das muss ich schon zugeben. In meiner Situation kommt allerdings auch noch mein 4-Jähriger Sohn dazu, der den Zeitplan immer mal wieder durcheinanderwirbelt. Aber vor allem die Buchhaltung, Personalplanung etc. ist schon die doppelte Arbeit. Das schöne an einem großen Team ist aber, dass jede Mitarbeiterin ganz anders liest und sich für andere Themen interessierte. Da entsteht ein großer Ideenpool. Das genieße ich sehr.
Wenn du heute auf deine Entscheidung von 2022 zurückblickst, wie sieht deine Bilanz aus?
Unterm Strich: positiv. Es gibt immer mal wieder kleine Tiefs, aber die haben vor allem mit der gesamten Marktentwicklung und dem gestiegenen Kostendruck zu tun.
Was würdest du mit den heutigen Erfahrungen Inhaber*innen von Buchhandlungen raten, die ebenfalls über eine Filialisierung nachdenken?
Ein gutes Team ist Gold wert! Ganz ehrlich mit Unternehmensberater*innen sprechen und rechnen. Unterm Strich muss es sich ja auch finanziell lohnen. Und auf jeden Fall auch Steuerberater*innen mit einbeziehen.
Anna Doepfner
Inhaberin „Bergen erlesen“ und „Sachsenhausen erlesen“