Weihnachten in der kleinen Hofbuchhandlung

Über fehlende Laufkundschaft aber viel Kreativität und ein Format, das zu Weihnachten ganz besonders gut funktioniert – Kathrin Wellmann im Interview.

12. Dezember 2024 Lesedauer 12 min 1

Weihnachten in der kleinen Hofbuchhandlung  – das war gerade unsere spontane Assoziation, als wir in eure Einfahrt eingebogen sind.  Es sieht hier so hübsch aus – da kann jedes Jenny Colgan-Cover einpacken. Und tatsächlich sind wir heute bei euch, um über Weihnachten und über eine ganz besondere Idee für ein Veranstaltungsformat zu sprechen. Aber magst du, Kathrin, deine Buchhandlung erst einmal kurz vorstellen?

Ja, also wir sind hier in der Hofbuchhandlung und haben gerade tatsächlich Geburtstag gehabt – neunjähriges Jubiläum am 7. November und nächstes Jahr werden es schon zehn. Dass wir einmal erfolgreich unser Zehnjähriges feiern, haben wohl viele nicht für möglich gehalten. Es gab da einige, die haben uns ein halbes Jahr gegeben. Denn wir sind ein ganz kleiner Landen mit 40 Quadratmeter Verkaufsfläche und so richtig auf dem Land.  Wenn man aus dem Fenster guckt, sieht man nicht selten Rehe und um uns herum Maisfelder – jetzt sind die gerade abgehäckselt –  ansonsten nur ein paar verstreute Häuser und Höfe.

Und die nächste größere Stadt ist Oldenburg?

Genau, die nächste größere Stadt ist Oldenburg, sie ist zehn Kilometer entfernt und wir gehören zur Gemeinde Wardenburg. Wardenburg hat 18.000 Einwohner auf verschiedene Ortsteile verteilt und hat auch einen Ortskern. Dort hatte meine Schwiegermutter früher eine Buchhandlung und aus der haben wir uns entwickelt. Ich bin eigentlich Lehrerin und von Hannover zurück nach Wardenburg gegangen mit dem Wunsch, die Buchhandlung zu übernehmen. Aus verschiedenen Gründen war das dann schwierig, also die Buchhandlung Lesezeit hatte mit den gleichen Problemen zu kämpfen, wie ganz viele andere auch, nämlich sinkende Umsätze und gleichzeitig steigende Kosten. Trotzdem lief die Lesezeit noch, aber als meine Schwiegermutter dann in Rente gehen wollte, schien mir das Risiko zu hoch. Zu dem Zeitpunkt waren unsere drei Söhne eins, vier und sieben, und ich hatte das Gefühl, ich gebe zu früh die Familienzeit auf, obwohl nicht klar ist, ob sich die Buchhandlung auch langfristig halten kann. Und da haben wir uns dann entschlossen, die Buchhandlung zu schließen. Später haben wir aber gedacht, Mensch, irgendwie so ganz ohne Buchhandlung geht es dann doch nicht (lacht). Und als wir unseren privaten Plan A erreicht hatten, unseren vierten Sohn bekommen haben, kamen wir irgendwann auf die Idee hier auf dem Hof, auf dem Resthof, den wir zu der Zeit schon bewohnt haben, eine Buchhandlung zu eröffnen. Ich habe dann Reinhild Eickelpasch von Libri kontaktiert, sie war schon die Kundenbetreuerin der Buchhandlung meiner Schwiegermutter. Ja, und seit bald 10 Jahren arbeiten wir jetzt zusammen.

Wie sieht euer Sortiment aus? Ihr habt ja auch sehr besondere Non-Book-Artikel …

Wir haben einfach besonders schöne Non-Books (lacht), ich glaube, deswegen fallen sie so ins Auge. Aber der Fokus liegt zu 95 % auf dem Buch. Also wir haben im einstelligen Bereich Non-Books und ansonsten Bücher mit einem allgemeinen Sortiment. Wir gucken immer, was würden wir gern lesen, dann können wir es auch gut empfehlen. Und wir haben so einen kleinen Schwerpunkt auf Kinderbüchern, einfach durch meinen Hintergrund als Grund-Haupt- und Realschullehrerin und wir haben vier Jungs, da ergibt sich so ein Schwerpunkt irgendwie automatisch.

Wer kommt zu euch?

Ganz gemischt – oft auch Familien. Wer nicht so häufig alleine kommt, das sind Jugendliche.

Sind euere Kund*innen Wiederholungstäter? Also habt ihr eine feste Stammkundschaft?

Total, also man muss gezielt hier her kommen – Laufkundschaft haben wir null. Im Sommer kommen auch mal Fahrradfahrer*innen ganz zufällig vorbei – hier gibt es eine Fahrradstrecke. Das spielt aber kaum eine Rolle. Mittlerweile hat es sich aber gut rumgesprochen. Es sind viele Oldenburger aber mittlerweile kommen auch Leute aus Bremen oder Vechta, also schon von erstaunlich weit weg.

Es ist ja auch ein besonderer Ort hier. Gerade jetzt in der Adventszeit mit den Sternen im großen Baum vor eurer Buchhandlung wirkt hier alles so schön heimelig. Könnt ihr Weihnachten besonders gut?

Wir können das ganze Jahr besonders gut (lacht). Also im Sommer ist es hier halt auch megaschön. Wir haben eine gemütliche Sitzecke draußen und dann blüht alles ganz toll. Und irgendwann so im Oktober fängt das an, wenn ich nachmittags geöffnet habe, da gucke ich raus und denke, ah, jetzt ist wieder dieses schöne Licht hier, dann strahlt hier alles so ein bisschen.

Bleiben wir trotzdem noch einmal bei Weihnachten. Was passiert da bei euch?

Weihnachten funktioniert tatsächlich bei uns mittlerweile auch besonders gut durch zwei Formate. Eines ist das Format „Einschließen & Genießen“. Also wir haben jetzt im Moment wirklich in jeder Woche vier bis fünf Termine am Abend, wo die Buchhandlung eben gebucht wird für einen gemütlichen Stöberabend.

Vier bis fünf Termine  – das ist wirklich viel! Und „Einschließen & Genießen“ heißt: Menschen können Termine buchen und haben dann die Buchhandlung nach Ladenschluss für sich und können sich in Ruhe umgucken?

Genau, das sind so Zeitslots für zwei Stunden, die man buchen kann mit der Tendenz zur Verlängerung. Also oft komm ich nach zwei Stunden wieder und sehe, sie brauchen noch Zeit und dann komme ich noch einmal eine halbe Stunde später wieder.

Bevor wir zum zweiten Format kommen, das bei euch gerade in der Weihnachtszeit so gut funktioniert, kurz noch eine Zwischenfrage: Ist die Herausforderung, dass ihr durch eure Lage keine Laufkundschaft habt, Fluch und Segen zu gleich? Macht sie euch am Ende vielleicht ganz besonders kreativ?

Das ist Fluch und Segen zugleich auf jeden Fall. Aber für mich ist es zum Beispiel ein ganz großer Vorteil, dass wir hier vor Ort wohnen. Die Formate, die am Abend stattfinden, können wir gut machen, weil ich hier zu Hause bei meiner Familie sein kann und nur einmal über den Hof laufen muss. Also ich glaube, dass das erst mal ein riesiger Standortvorteil ist für alles, was wir hier kreativ machen. Und unsere Projekte und Veranstaltungen bereichern nicht nur meine oder unsere Buchhandlung, sondern sie bereichern irgendwie auch unser Familienleben, unser Umfeld, unseren Ort.

Ihr seid ein wichtiger Teil des kulturellen Lebens hier und euer Angebot wird dankbar angenommen. So wie das besondere Format, das ihr entwickelt habt und von dem wir jetzt mehr erfahren möchten. Ihr habt ein eigenes literarisches Escape-Game entwickelt. Was können wir uns darunter vorstellen?

Ja, eigentlich ist das wie das „Einschließen & Genießen“-Format nur eben mit Programm (lacht). Also man bucht die Buchhandlung für sich allein, für seine Gruppe, und hat dann eineinhalb Stunden Zeit, einen Kriminalfall zu lösen. Eine Autorin – Maren von Hagen – ist verschwunden und nun ist natürlich die Frage: Was ist da passiert? Und man findet dann Hinweise auf Bücher und Gegenstände im Laden, die einem dabei helfen, das Rätsel zu lösen. Und das bieten wir jetzt seit Dezember 2022 an und sind sehr erfolgreich damit. Ich habe mal gezählt, in diesem Jahr hatten wir genau 50 Abende und 181 Besucher*innen. Und viele kaufen dann auch gleich einen Gutschein für Freunde und Familie, um das Erlebnis zu verschenken.

Nun bietet ihr das Escape-Game auch für andere Buchhandlungen an. Ihr verkauft euer Konzept. Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Wir denken einfach, es könnte auch für andere Buchhandlungen erfolgreich sein, dieses anzubieten.

Was bekommt man, wenn man das Spiel von euch kauft?

Das Konzept natürlich und eine Exklusivgarantie, dass im Umkreis von fünfzig Kilometern das Spiel an keine weitere Buchhandlung verkauft wird. Außerdem bekommt man jede Menge wirklich tolle Requisiten. Zum Beispiel eine UV-Taschen-Lampe und eine Vintage-Schreibmaschine, die ganz speziell modifiziert wurde.

Oh wow, vorher stammen diese tollen alten Schreibmaschinen?

Wir ersteigern sie über eBay und mein Papa ist gelernter Schreibmaschinenmechaniker und er baut dann die Tasten für uns um. Wenn die Kund*innen dann beim Escape-Game eine bestimmte Folge von Buchstaben eintippen, ergibt das einen Text, der sich vorher für sie nicht erahnen lässt und der dann dabei hilft, das Rätsel zu lösen.

 

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Und das Spiel darf dann natürlich unbegrenzt oft angeboten werden und auch bei der Preisgestaltung ist man wahrscheinlich frei …

Klar, wir bieten es momentan für unsere Kund*innen in der Buchhandlung für 15 Euro pro Person an, werden den Preis aber ab den 1.1.2024  auf 18 Euro erhöhen. Und was sicher noch wichtig ist, wenn wir das Spiel an andere Buchhandlungen verkaufen individualisieren wir es in Absprache auch. Also da spielt zum Beispiel ein regionales Hotel eine Rolle und so weiter und da erfragen wir dann die Namen vor Ort und bauen diese ein.

Okay, wer Interesse hat, kann sich also gern bei Dir melden! Es gibt aber noch einen weiteren spannenden Aspekt bei dieser Sache:  Mit dem Escape-Room hast Du nicht nur eine tolle Idee für euch entwickelt, sondern Du verkaufst diese an Kolleg*innen. Ist dieses Konzept eines, das Du empfehlen kannst? 

Ich kann das total empfehlen – ein gutes Konzept zu entwickeln und dann anschließend zu verkaufen – und ich wäre die Erste, die auch ein Konzept von Kolleg*innen einkaufen würde, wenn es zu uns und unserer Buchhandlung passt.

Apropos – wenn es zu uns passt. Lass uns abschließend noch einmal über den Punkt sprechen, dass ihr eine erfolgreiche Buchhandlung seid, an einem Standort ohne Laufkundschaft: Was würdest Du Kolleg*innen empfehlen, die eine ähnliche Standort-Situation haben und vielleicht manchmal auch damit hadern?

Na, es gibt kein Rezept. Das ist ja klar.  Für mich passt es immer, so ein bisschen außerhalb des Rahmens zu denken. Zum Beispiel haben wir ziemlich eingeschränkte Öffnungszeiten, da die Leute sowieso gezielt zu uns kommen und zudem habe wir ein Abholhäuschen, bei dem man 24/7 die bestellten Bücher abholen kann. Die eingeschränkten Öffnungszeiten geben uns den Spielraum dann diese vielen Abendveranstaltungen zu stemmen, was nicht möglich wäre, hätten wir jeden Tag von 9-18 Uhr regulär geöffnet.  Also das wäre ein Vorschlag von mir – diese besondere Standortsituation wirklich nutzen, um Dinge vielleicht etwas unkonventioneller aber für sich passend zu machen, sich das trauen.

Vielen Dank für das spannende Gespräch!

Kathrin Wellmann

Inhaberin der Hofbuchhandlung

Und hier geht es zur Website:

Hofbuchhandlung Kathrin Wellmann – Die Buchhandlung auf dem Land in Westerholt bei Wardenburg


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1 Kommentar


  • Nina

    Danke für das tolle Interview! Obwohl meine Eltern nur 30 Minuten entfernt wohnen, habe ich noch nie von dieser besonderen Buchhandlung gehört. Wenn ich das nächste Mal in der Heimat bin, schaue ich da vorbei!


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